Der Trend, der bleibt

Seit Jahrzehnten propagieren Frauenmagazine weltweit unrealistische Körperbilder. In Österreich ist das nicht anders. Ein Trend der immer in Mode, aber vor allem eines ist: altmodisch.

ANIKA HAIDER, CONSTANZE KREUZBERGER

Sie prangen auf fast allen Magazinen, Plakaten und Produktwerbungen: junge, weiße, schlanke Frauen. Models repräsentieren die gesellschaftlichen Schönheitsnormen und haben sie zu einem großen Teil sogar selbst geprägt.
Aber in den letzten Jahren wurden die Rufe nach mehr Diversität im Modelbusiness immer lauter. Schönheitsideale sollen demnach vielseitiger werden und auch durchschnittliche Frauenkörper präsentieren, anstatt unrealistische Ideale zu zelebrieren. Inwieweit ist die österreichische Mode- und Lifestylebranche diesen Forderungen nach mehr Vielseitigkeit im Modelbusiness bisher gefolgt?
An wenigen Beispielen lässt sich dies so gut erkennen, wie beim Durchblättern eines Lifestyle-Magazins. Die „Woman“ ist das auflagenstärkste und einflussreichste Frauen- und Lifestylemagazin Österreichs. Eine Auswertung aller „Woman“- Ausgaben der letzten zwei Jahre hat gezeigt, welche Frauenbilder primär in dem Magazin vertreten sind.

Traditionelles Lifestyle-Magazin

Seit der Ersterscheinung im Jahr 2001 hat sich die „Woman“ zu einem Fixstarter unter den heimischen Lifestyle-Magazinen entwickelt. Die österreichische Auflagenkontrolle zählte im 2. Halbjahr 2019 eine durchschnittliche Auflage 146.980 Exemplaren. Damit erreichte die „Woman“ eine Reichweite von insgesamt 4%. Die “Woman” richtet sich in erster Linie an die weibliche Leserschaft und erreicht so unter der weiblichen Bevölkerung sogar 6,8%. 2019 ist die Reichweite im Vergleich zu den Vorjahren zwar etwas gesunken, marktführend ist das Lifestyle-Magazin in dieser Sparte dennoch nach wie vor. Die Journalistin Euke Frank ist die Chefredakteurin des Magazins. Jährlich erscheinen 26 Ausgaben der „Woman“, sprich jede zweite Woche eine neue Auflage. Diese kann um 3,90€ erworben werden. Aufrgund dieses langjährigen Erfolges kann also davon ausgegangen werden, dass die “Woman” in Österreich nicht nur die Medienlandschaft maßgeblich beeinflusst, sondern auch eine große Anzahl von Frauen selbst.

Cover much?

Bereits beim Betrachten der „Woman“-Cover zeigt sich eindeutig, welche Frauenbilder auch im Heft Inneren bedient werden. Mit ganz wenigen Ausnahmen strahlten in den letzten zwei Jahren nur weiße Models von der Titelseite. Diversität sieht anders aus. Klassischerweise ist das Titelblatt mit dem Versprechen von Diät- und Fitnesstipps sowie mit Schlagzeilen der neuesten Modetrends gespickt. Zumindest das Cover spiegelt das klassische Verständnis von Frauenthemen wider: ein Guide, darüber wie frau sich anzuziehen hat, was frau zu essen hat, wie frau auszusehen hat. Klingt ziemlich nach 20. Jahrhundert? Ist es auch. Sicherlich handelt es sich hierbei um Themen, die viele Leserinnen interessieren, möglicherweise lohnt es sich aber auch beizeiten, diese Sichtweise zu hinterfragen. Vielleicht haben sich die Zeiten geändert und die Zielgruppe ist bereit, sich mit anderen Themen auseinanderzusetzen als zum wiederholten Male mit den „besten fünf Tipps zum Abnehmen für das neue Jahr“.

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Inhaltlich fortgeschritten?

Beim Aufschlagen des Magazins zeigt sich tatsächlich ein Wille der “Woman” ihre Themenpalette zu erweitern. Beim oberflächlichen Betrachten der Artikel hat man den Eindruck, dass die “Woman” möglichst alltagsnah und am Boden der Tatsachen berichten möchte. Es soll um starke Frauenfiguren gehen, die eine Vorbildfunktion einnehmen können und ein fortschrittliches Frauenbild verkörpern. Doch auch hier zeichnet sich bei genauerer Inspektion ein anderes Bild ab. Die „Woman“ setzt sich aus sehr unterschiedlichen Rubriken zusammen. Auf über 100 Seiten versammelt sich alles, was gerade „in“ ist. Das Magazin deckt die Themenbereiche Trends, Real Life, Style, Body & Soul, Living und Stars & Stories ab. Die auffallendste Diskrepanz besteht sicherlich zwischen den längeren und ausführlichen Geschichten und Porträts, die in der „Real Life“-Rubrik zu finden sind und der Trends- und Style-Rubrik. Vor allem der offensichtliche Unterschied zwischen Menschen des alltäglichen Lebens, die die Hauptcharaktere der Geschichten darstellen und den professionellen Models, die den Rest des Magazins prägen, ist signifikant.

Die „Woman“ bemüht sich redlich, ihre Leserschaft mit interessanten Geschichten über Menschen mit normalen Berufen und Lebensgeschichten zu unterhalten. Dafür wird beispielsweise die 48-jährige Buslenkerin Claudia porträtiert, um einmal einen Einblick in einen Berufsalltag zu bekommen, den man sonst oft übersieht. Oder es wird eine Hausfrau und Mutter besucht, um über deren Leben zu berichten. Im Umkehrschluss bedeutet das dann wohl, dass der Rest des Magazins nicht „Real Life“ ist, also nicht das reale Leben widerspiegelt. Blättert man nämlich ein paar Seiten weiter, landet man im Style-Teil des Magazins. Und der sieht schon wieder ganz anders aus. Hier herrscht Glamour pur. Hier sieht man keine Claudias, die ja auch mal die neuen Herbst-Trends präsentieren könnten, hier dominieren wieder die allseits bekannten Bilder normschöner, durchwegs schlanker Frauen. 

Vielfältigkeit wird nicht konsequent großgeschrieben

In den meisten Ausgaben des Magazins findet sich auch eine eigens von „Woman“ produzierte oder zugekaufte Modestrecke. Hierfür bucht das Magazin Models, die, betrachtet man sie alle nebeneinander, nicht gerade durch ihre Diversität auffallen. Eine Erhebung der veröffentlichten Fotostrecken der letzten zwei Jahre hat ein aussagekräftiges Ergebnis geliefert. Von Jänner 2018 bis Dezember 2019 hat die “Woman” insgesamt 52 Ausgaben herausgebracht. In den meisten dieser Ausgaben gibt es eine mehrseitige Fotostrecke, die entweder von “Woman” selbst produziert oder international angekauft wurde. Die Models, die für diese Fotostrecken vor der Kamera standen, gehörten zur Kategorie der sehr großen, dünnen Models. Genauer gesagt entsprachen 32 Models den gängigen Standards, laut derer sich die Körpermaße eines Models an klare Richtlinien halten müssen. Die traditionellen Modelmaße betragen 90 Zentimeter an der Hüfte, 60 an der Taille und wiederum 90 um die Brust. Klingt schon eher unrealistisch, ist es auch. Die durchschnittlichen Körpermaße von Frauen weltweit betragen nämlich 99 Zentimeter um die Brust, 85 an der Taille und 103 am Gesäß. Die „Woman“ repräsentiert mit durchschnittlichen Modelmaßen von 82-61-89 also ein Körperbild, das für den Großteil der Frauen unrealistisch ist.

Die durchschnittlichen Maße von Frauen weltweit und Woman-Models im Vergleich




Die Maße der „Woman“-Models (hellrosa) im Vergleich zu Durchschnittsmaßen (rot) und dem 90-60-90-Standard (pink)

Selbst die meisten Models aus der “Woman” erfüllen die 90-60-90 Richtlinie also nicht. Besonders indiskutabel ist hier übrigens der Hüftumfang. Diese 90 Zentimeter werden als der wichtigste Richtwert bezeichnet, da die Kleidung, die bei Fotoshootings präsentiert wird, auf eine Weise geschneidert ist, sodass Models, die über diesem Wert liegen, nicht mehr in das betreffende Kleidungsstück passen. 

Die Hüftmaße sind besonders wichtig – fast alle Models halten die 90 cm ein oder liegen nur leicht darüber

„Ganz grundsätzlich ist das Modelbusiness weltweit ein problematisches.“

Woman-Chefredakteurin Euke Frank

Woman-Chefredakteurin Euke Frank ist gerade auf Urlaub und hat deshalb auf eine Interviewanfrage nur mit einem Statement geantwortet. Auf die Frage, wie sie die Modelbranche generell wahrnimmt, bezeichnet sie das Modelbusiness weltweit als problematisch. “Da haben leider auch Plus-Size und Curvy-Models wenig verändert.  Laufsteg-Mode wird leider immer noch mehrheitlich von sehr dünnen Frauen präsentiert. Und – eine Problematik, die wir immer wieder beobachten – auch internationale Fotoagenturen shooten kaum mit normalgewichtigen Frauen.” Frank betont aber das Bemühen der “Woman” hier gegenzusteuern. “Wir haben dazu bereits mehrere Geschichten gemacht und uns als Redaktion auch vorgenommen, besonders bei der Fotoauswahl darauf zu achten. (…) Jedenfalls ist uns die Problematik bewusst und wir steuern dagegen.” Wirklich ersichtlich ist dieses Bemühen aber noch nicht, wie die Auswertung der Daten gezeigt hat. Mit Ausnahme der österreichischen Prominenten, die für Fotoshootings vor der Kamera standen, entsprachen alle Models den gängigen Schönheitsidealen.

Und wie geht es weiter?

Die Verantwortung für eine nachhaltige Veränderung des Modelbusiness liegt natürlich nicht nur bei einem Lifestyle-Magazin wie “Woman”. In den meisten Modelagenturen sind sehr dünne Models nach wie vor überrepräsentiert. Der “Trend”, Plus-Size-Models in der Modelbranche gleichwertig zu etablieren, spiegelt sich noch nicht in den Agenturen wieder. Lifestyle-Magazine können aber durchaus dazu beitragen, diese Gegebenheiten in Modelagenturen zu ändern, beispielsweise indem vermehrt und bewusst Plus-Size-Models gebucht werden. Es läge an einflussreichen Playern wie “Woman”, diesen Sachverhalt zu hinterfragen und sich für mehr Diversität im Modelbusiness einzusetzen. Und so könnte man auch tatsächlich etwas mehr “Real Life” in österreichische Lifestyle-Magazine bringen.